Battle Roster

Monday, May 22, 2006


Manchmal, wenn ich hier sitze dann fange ich an mir Gedanken zu machen.
Gedanken über Gott und die Welt und ob Gott tatsächlich für all seine Schafe einen Plan hat, oder ob alles nur dem reinen Zufallsprinzip unterlegen ist.

Ich meine was wäre gewesen wenn ich R. nicht in diesem einen alles verändernden Sommer getroffen hätte?
Was wäre wenn ich nicht in diese Karaoke Bar gegangen wäre?
Würde ich heute am gleichen Punkt stehen wie jetzt?

Jemand hat mir mal gesagt das Menschen aus einem Grund, einer Laune heraus, oder aber aus wahrer Freundschaft und Liebe in dein Leben treten. Nicht alle würden bei dir bleiben, diejenigen die jedoch aus wahrer Freundschaft und Liebe in dein Leben treten würden für immer bei dir bleiben. Egal ob sie ihrer Wege ziehen oder aus anderen Gründen wieder verschwinden, man würde sie nie ganz verlieren da sie in deinem Herzen und Gedanken weiterleben würden.

In diesem einen Sommer hat sich mein ganzes Leben verändert… mal wieder.

Ich hatte mit meinem Onkel und meiner Tante ausgemacht dass ich den Sommer über bei ihnen in der Firma arbeiten würde. Die Firma die mal meinem Vater gehört hat, die Firma weswegen es soviel Hass und Leid in unserer Familie gab.
Ich sollte mit einem weiteren Student eine kleine Werbeaktion durchführen, mein Vater mochte diesen Gedanken nicht und sagte mir frei heraus das wenn ich in der Firma arbeiten würde, bräuchte ich gar nicht erst zuhause auftauchen, davon abgesehen sei ich sowieso nur ein geduldeter Gast also hätte ich mich gefälligst auch so zu benehmen.

Meine Mutter allerdings war anderer Meinung, sie hatte das sagen im Haus, und dementsprechend musste er akzeptieren das ich die Semesterferien über in die kleine Stallwohnung einziehen würde.

Freunde hatte ich zuhause kaum mehr welche, von der gesamten damaligen Clique ist gerade mal noch ein Freund übrig geblieben, und der war gerade im Trainingslager und so gab es für mich keine Möglichkeit mal von zuhause zu verschwinden.

Man muss wissen dass das bei uns nicht so einfach ist. Das Gestüt meiner Eltern liegt direkt am Wald, es gibt nur den Bus, das Fahrrad oder man läuft. Ich bin schon so lange von zuhause weg da ich absolut keine Ahnung habe wo man in LA weggehen kann, jedoch kenne ich M. wie meine Westentasche und so wollte ich nach M., da mir dieses Pflaster vertrauter ist als das in LA, welches sich total verändert hat. Es ist mir fremd geworden, nicht mehr die Stadt die ich von früher kannte.

Also hatte ich einen täglichen Kampf um eines der Autos zu ergattern. Mein Kleinwagen ist schon seit Jahren abgemeldet, ich brauche ihn nicht, so musste ich mir ständig den Benz erkämpfen, und glücklicherweise hatte meine Mutter ein einsehen und rückte den Schlüssel heraus.

So fuhr ich nach M. um mir meine alte Stadt anzusehen. Sie hat sich ebenfalls stark verändert, war jedoch in den Grundzügen gleich geblieben.
Der Bahnhof hatte sich stark verändert, ist jedoch wunderschön geworden.
Die Unterführung war fertig ausgebaut und es gab ein paar neue Bars, jedoch existierten noch immer die beiden ersten Bars und waren noch immer in Amerikanischer Hand.

Ich kann mich noch daran erinnern wie ich das erste Mal in der Bar war. Ich hatte den Zug verpasst und die Bar war der einzige Laden der noch offen hatte.
Früher gab es allerdings noch keine Tanzfläche, stattdessen gab es die Möglichkeit Dart zu spielen.

Anyway, eines Freitags hatte ich mir also wieder das Auto ergattern können, fuhr nach M. und stellte den Stallbenz an der gewohnten Stelle ab um den Rest zur Unterführung zu laufen. Etwas verloren lief ich durch die Gegend und stellte fest dass noch immer genauso viele Amerikaner die Stadt bevölkerten wie früher. Ich lächelte leise vor mich hin und beobachtete die Menschen. Eine ältere deutsche Frau stolperte durch die Unterführung und pöbelte die Menschen an, ein junger Amerikaner und ich wechselten die Blicke und schüttelten gleichzeitig den Kopf. Wir kamen ins Gespräch und er lud mich an seinen Tisch ein.
Am Tisch saßen zwei Asiatinnen, und ein junger Man kam an den Tisch gestolpert, er war gut angeheitert, er trug eine Baseballkappe.
Zuerst dachte ich mir „Was ist das denn bitte für ein Arschloch?“ hinterher waren wir die einzigen die aus der Gruppe übrig geblieben waren. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, und er war ein überaus guter Gesprächspartner.

Wir blieben solange bis man uns rausschmiss, dann bot ich ihm an ihn nachhause zu fahren da es sowieso auf dem Weg lag, ich hatte vergessen das meine Mutter das Auto noch brauchte um mit meiner Schwester auf das Turnier zu fahren.

So lernte ich R. kennen.

Als wir bei ihm vor dem Haus standen schwiegen wir beide eine Weile, dann fragte er mich die berühmte Frage „Willst du noch auf einen Kaffee raufkommen?“
Ich nickte. Er sagte dass es bei ihm noch ein wenig chaotisch aussehen würde, und entschuldigte sich dafür und führte mich in seine Wohnung.
Es war eine schöne Wohnung, groß und licht durchflutet (es war bereits wieder hell) und wir gingen auf den großen Balkon damit er eine Rauchen konnte.

Wir unterhielten uns immer noch, und er fing an vom Krieg zu sprechen. Das er dort war, ein „Been there, done that“ ist und das er seinen besten Freund verloren hat weil dieser sich erschossen hatte. Ich hörte ihm zu, und nachdem wir uns in seinem Wohnzimmer auf die riesige Couch setzten waren wir immer noch am reden.

Alles in allem sprachen wir mehr als 10 Stunden am laufenden Stück und irgendwann kam mir in den Sinn dass ich ja mal zuhause anrufen könnte um meiner Mutter zu sagen das ich jetzt kommen würde.

Naja, wie immer war sie außer sich vor Wut und schrie mich zusammen, das machte mir jedoch nichts aus, ich kannte ihre Art und Weise ja nun schon lange genug.

R. jedoch tat etwas das mich überraschte. Er nahm den Hausschlüssel vom Bund und sagte ich solle wieder kommen, er würde auf mich warten. Ich umarmte ihn und fuhr zurück nach LA.
Meine Schwester versprach sie würde mich mit auf die Au zu nehmen, so hatte ich genügend Zeit mich zu duschen und umzuziehen.
Am Berg nahm ich schließlich die Straßenbahn und besorgte noch ein Frühstück für uns beide. Als ich Rs' Wohnung betrat und das Frühstück in den großen zweiflügeligen Kühlschrank verfrachtete sah ich dass es gar keine schlechte Idee war noch vorher einzukaufen. Er hatte nichts weiter als Soda Pop und Thuna im Kühlschrank liegen, und mal ehrlich, wer will schon Thuna zum Frühstück?

Es war als sei es das natürlichste der Welt mich frei in seiner Wohnung zu bewegen, ich fühlte mich nicht als Eindringling sondern so als würde ich dort hingehören. Es schien irgendwie zu passen. Als ich ins Schlafzimmer ging sah ich ihn da liegen, so friedlich schlafend. Ich setzte mich neben das Bett und beobachtete ihn eine Weile, ich weis nicht was ihn geweckt hatte, aber als er aufwachte und mich sah, blickte er mir verschlafen in die Augen. Ich weis nicht mehr wie lange wir uns so in die Augen blickten, aber es war eine ganze Weile. Wir sagten nichts, wir brauchten in diesem Moment nichts sagen.

Er hatte die Rolläden halb herunter gelassen, so dass die Sonnenstrahlen nur einzeln das Schlafzimmer erhellten, es war gerade genug Licht das wir uns gegenseitig in die Augen blicken konnten. Er streckte den Arm nach mir aus und ergriff meine Hand, es war klar was er wollte und ich lies es geschehen.
So zog er mich zu sich ins Bett.
Normalerweise bin ich ziemlich scheu was so was betrifft, bei ihm aber hatte ich alle Scheu abgelegt, es war als wäre all das was passierte das natürlichste der Welt. Ich liebte ihn… nein… ich liebe ihn noch immer, werde ihn mein ganzes Leben lang lieben.


Wir waren die ganzen Semesterferien über ein Paar, kurz darauf ging er in den Iraq zurück.
Es war seine letzte Tour....